NIEMANDSLAND - Eine Reise zu dem, was zwischen uns liegt
Eine Klanginszenierung von Dimitri de Perrot
NIEMANDSLAND ist ein Immersionsraum, durchdrungen von einer treibenden Komposition aus Klängen und Geräuschen des alltäglichen Lebens. In dieser „Disco des Alltags“ kann sich das Publikum frei bewegen. Es gibt keine Zuschauersitzplätze, keine Bühne und keine Darsteller:innen. Alles was da ist, ist Klang, Raum und das Publikum – also wir. Das Spiel nimmt seinen Lauf - durch die Präsenz der Anwesenden. Das Erforschen und Erfahren in einem vermeintlich leeren Biotop wecken Geister und Reflexion. Ins Zentrum drängen Fragen des Zusammenlebens. Das Stück spielt mit der Ambivalenz von banaler Leichtigkeit und normalem Ernst, vom Blick aufs Eigene und aufs Gemeinsame. Es ist ein Ort für teilhabende Überraschung, Reflexion und Inspiration. Mit NIEMANDSLAND bewegt sich de Perrot in einem «Dazwischen» von Theater, Konzert, Installation und Party.
Ein Niemandsland liegt zwischen zwei oder mehreren definierten und zugeordneten Zonen. Oft entstehen dort Brachen, die Natur gedeiht ohne Eingriff des Menschen, ein Lebensraum, wie es ihn heute nur noch selten gibt. Dimitri de Perrot untersucht in dieser Kreation die Qualitäten des Niemandslandes als Raum der Freiheit.
PRESSE
«Eine verblüffende Erfahrung, die Sie unbedingt erleben sollten. (...) Zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven hinterfragt Dimitri de Perrot mit großer Geschicklichkeit die Barrieren zwischen den Individuen. (...) Ihm gelingt das Kunststück, kollektiv zu sein, obwohl er unsere persönlichsten Assoziationen aktiviert.»
Louise Chevillard - La Terrasse
«Niemandsland lädt zu einer magischen Klangreise zwischen den Welten.»
Carsten Michels - Bündner Zeitung
«NIEMANDSLAND - Dimitri de Perrot hat aus Alltagsgeräuschen ein grossartiges Hörtheater erschaffen»
Linus Welpen - NZZ am Sonntag
«NIEMANDSLAND – Eine faszinierende Szenerie»
Ueli Barneys - Neue Zürcher Zeitung
CREDITS
Idee, Komposition, Raum & Künstlerische Leitung: Dimitri de Perrot
Dramaturgie: Anna Papst
Co-Komposition: Balz Bachmann
Lichtdesign: Karl Egli
Sounddesign: Max Molling
Bühnenbild – Design und Recherche: Franziska Born
Bühnenbild – Entwicklung und Konstruktion: Leo Hoffman
Zusätzliche Musik und Stimmen: Lara Barsacq, Marc Bodnar, Miro Caltagirone, Jack Ellis, Laslo de Perrot, Nino de Perrot, Michael Fehr, Tarek Halaby, Laurence Mayor, Dimitri Jourde, Jeff Loiselette, Gaël Santisteva, Julian Sartorius, Michi Sauter, Fred Ulysse.
Soundrecherchen: ICST / Peter Färber
Assistenz Konstruktion Bühnenbild: Kurt Brun / Werkstatt Gessnerallee
Musikassistenz: Peter Tillessen
Dramaturgischer Think Tank: Lukas Bärfuss, Christoph Meier, Imanuel Schipper
Technik Tournee: Jorge Bompadre, Karl Egli, Max Molling, Pablo Weber
Technische Leitung Studio DdP: Pablo Weber
Kommunikation & Think Tank Studio DdP: Christoph Meier
Produktion: Studio DdP
Koproduktion: 21. Internationale Schillertage Mannheim, EinTanzHaus Mannheim, Gessnerallee Zürich, ICST - Institute for Computer Music and Sound Technology @ ZHdK, Nationaltheater Mannheim NTM, Südpol Luzern, ZeitRäume Basel – Biennale für neue Musik und Architektur
Partner Theater: Le Centquatre Paris
Mit der Unterstützung von: Stadt Zürich Kultur, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung, Stiftung Corymbo, Ernst Göhner Stiftung, Landis & Gyr Stiftung, Zentrale Pratteln.
Dimitri de Perrot entwickelte das Projekt NIEMANDSLAND als «Artist in Residence» des Le Centquatre Paris und des ICST (Institute for Computer Music and Sound Technology @ ZHdK) und erhielt einen «Recherchebeitrag» der Stadt Zürich sowie einen «Freiraumbeitrag» der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich.
Endproben mit Generalprobe im Januar 2021 in der Gessnerallee Zürich. Premiere am 17. Juni 2021 im EinTanzHaus / 21. Internationale Schillertage / Nationaltheater Mannheim NTM.
Dimitri de Perrot über NIEMANDSLAND
Interview von Nanuschka Boleki und Roman Weishaupt
Magazin PROSPECT (03/2021, Theater Chur)
Du warst in jungen Jahren ein arrivierter DJ in der Zürcher Club-Szene. Wie hast du von dort den Weg ans Theater gefunden?
Da kommen viele verschiedene Dinge zusammen. Meine Lust und Liebe zur Musik, zum Gestalten und Machen. Ich habe früh angefangen, Platten zu sammeln und Musik aufzulegen. Die 90er waren eine Zeit des Umbruches: Die Industrie in Zürich verliess viele ihrer alten Areale. Die dabei entstandenen Freiräume machten plötzlich vieles möglich. Vieles kam in Bewegung und es bildete sich eine intensive Partyszene. Einerseits die Technoszene – die war gar nicht meine – und andererseits eine Kunstszene. Und ich mittendrin, relativ jung, 15 Jahre alt und mit einem eigenwilligen Musikverständnis. Mir war damals wie heute wichtig, dass Musik Emotionen auslöst, uns Menschen berühren und vereinen kann. Das Auflegen war ein wichtiges Instrument für mich. Ich bevorzugte kleinere Räume, für 100 bis 200 Leute. Zusammen konnten wir eine Dynamik erzeugen, die einmalig war. Ich hatte schon damals den Wunsch, dass wir von uns selbst überrascht werden, Seiten von uns erleben, die wir mit anderen teilen können und unsere eigene Euphorie entdecken. Auch heute geht es mir in meiner Arbeit um den Versuch, zu verstehen, was Begegnung ist. Wie treffen wir uns? Was ist mein Blick auf mich und auf die anderen? Wie vermische ich mich mit anderen und werde Teil von ihnen?
Heute arbeitest Du vorwiegend mit Alltagsgeräuschen. Wie muss ich mir deinen Arbeitsprozess vorstellen?
Ich liebe es, Klänge zu sammeln. Für das Projekt Niemandsland habe ich unglaublich viel aufgenommen. Zwei Jahre lang lief ich durch Städte, durch die Nacht, suchte ruhige Momente, habe mit sehr vielen Musiker:innen und Schauspieler:innen Sachen aufgenommen, ging zu denen nach Hause und habe auch die unterschiedlichsten Räume mit aufgenommen. Denn jeder Raum hat seine ganz eigene Akustik. Der echte Klang dieser Räume interessiert mich. Ursprünglich wollte ich noch viel mehr reisen und aufnehmen, doch Corona hat mir da einen Stich durch die Rechnung gemacht. Deshalb habe ich dann im Studio weiter aufgenommen, im Internet gestöbert und auch über YouTube-Videos Klänge gesammelt. Für mich gibt es keine perfekte Soundqualität. Ich liebe Trash-Sounds genauso wie Hightech Aufnahmen – das alles gehört irgendwie zum Leben.
Du erzählst mit Klängen Geschichten?
Klänge lösen grundsätzlich individuelle Assoziationen aus. Wir alle haben einen inneren Resonanzraum, der individuell geprägt ist durch Herkunft, Empfindungen und Erfahrung. So werden mit Klang ganz verschiedene Geschichten transportiert. Das macht den Klang ambivalent. Diese Mehrdeutigkeit ist wichtig, weil es zeigt, dass dasselbe für viele Menschen etwas ganz anderes sein kann. Das ist für mich essentiell in meiner Arbeit und in der heutigen Zeit. Denn was ich für real und wichtig halte, kann für jemand anderen ganz anders sein.
In deiner neuesten Arbeit gestaltest du einen Raum, in dem verschiedene Klangquellen angeordnet sind. Diese mischen sich unterschiedlich, je nach dem, wo sich das Publikum im Raum befindet. Wofür steht dieser Raum?
Für das Niemandsland. Für die Zeit und den Raum dazwischen. Ich habe mich für dieses Projekt wieder mit meinen Grundfragen beschäftigt: Was ist Begegnung, was ist unser Miteinander und wo findet das statt? Was brauchen wir, um offen zu sein, um zuzuhören, um Unbekanntes zu entdecken und unsere Neugierde zuzulassen?
Das Niemandsland als Ort der Selbstentdeckung?
Das Leben besteht oft aus Zwischenmomenten – wie beispielsweise die Zeit einer Zugfahrt. Leider haben wir die Tendenz, die Zeit dazwischen verkürzen zu wollen, mit Ablenkung, Beschäftigung, Unterhaltung, dem Handy. Und eigentlich hätte man genau in diesen Zwischenmomenten die Möglichkeit, sich zu entdecken und mit Unerwartetem konfrontiert zu werden. Diesem Nebensächlichen schenke ich gerne Geduld. Das Niemandsland sehe ich als eine Brache, als Wunsch nach dem Ungeordneten, Unerschlossenen in einer Welt, die doch sehr auf Optimierung, Erschliessung ausgelegt ist und vieles sich sehr schnell monetär nutzbar machen will. Ich finde das traurig, vielleicht sogar gefährlich, weil ich glaube, dass das Undefinierte im Leben etwas extrem Wichtiges ist, dass es ein Raum der Freiheit ist, wo Entfaltung stattfinden kann und wir diesen Raum, dringender denn je, brauchen.
Niemandsland ist nicht nur eine Klangerfahrung, sondern auch ein starkes visuelles Erlebnis.
Niemandsland ist ein Ort, an dem ich die Sinne der Zuschauer:innen für die Poesie der Normalität schärfen will. Es ist eine Einladung, das «Hundsnormale» wahrzunehmen und der Schönheit des Alltäglichen eine neue Art von Beachtung zu geben. Niemandsland ist eine Einladung, sich seine eigenen Bilder zu schaffen. Ich habe mich bewusst für keine intensive Narration entschieden, damit die Personen im Raum nicht etwas verstehen müssen, sondern einfach wahrnehmen, fühlen und denken können. Meine Idee ist es, Räume aufzumachen, die verschieden wahrnehmbar sind und unterschiedliche Sichtarten zulassen. Wenn sich das Publikum frei bewegen kann, werden alle zu Künster:innen und erschaffen durch ihre eigene Wahrnehmung ein ganz eigenes, einzigartiges Kunstwerk.
Am Abend vor dem ersten Lockdown im März 2020 warst Du in Paris, um Aufnahmen zu machen – diese haben nun fast schon einen historischen Wert angesichts dessen. Wurden diese Geräusche in «Niemandsland» verarbeitet?
Ja, diese Aufnahmen waren für Niemandsland sehr wichtig. Sie waren zentrales Material, weil es danach eben nicht mehr möglich war, in Städte zu gehen und Aufnahmen zu machen. Am letzten Wochenende vor dem Lockdown spürte man schon, wie alles enger wurde und alle verunsichert waren. Ich war da noch zwei, drei Nächte lang in Paris unterwegs, in Bars, in Clubs auf den Strassen und habe mit meinem mehrspurigen Mikrophon aufgenommen: Diese Menschenmassen, diese Lebendigkeit und Menschlichkeit in dieser bebenden, vibrierenden Stadt. Als ich mir das später in Zürich anhörte, dachte ich: Shit, das ist im Moment ein totales No-Go: Diese Enge, diese Dichte! Und ja, das wird vielleicht ein historisches Relikt, wenn man so will, weil das so absolut fast nicht mehr denkbar ist, in dieser Ausgelassenheit, Unbedachtheit und Fröhlichkeit.
SPECIALS
Ein Teil der Gedanken rund um die Begriffe der Begegnung und der Offenheit fürs Unbekannte bedeuten für NIEMANDSLAND, das eigene Werk zu öffnen und es einem äusseren Einfluss auszusetzen. Dazu gehören zum Beispiel ortsspezifische Anpassungen im Dialog mit speziellen Räumlichkeiten, das Einladen lokaler Musiker:innen, im Stück den Live DJ Part mit ihrer eigenen Interpretation zu übernehmen, als auch ein mehrmaliges Wiederholen des Stücks am Tag, um bereits nachmittags mit Vorstellungen zu beginnen und so eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen wie Familien, Tagespassanten, Schulen oder das Unbekannte.
GAST MUSIKER:INNEN UND DJ'S:
EinTanzHaus / 21. Internationale Schillertage, Mannheim
ORTSSPÄZIFISCHE ADAPTATIONEN
Diese Adaptation von NIEMANDSLAND für das EinTanzHaus Mannheim (Bild 1+2, ehemaligen Trinitätskirche) inkludierte Tageslicht, Abenddämmerung und nächtliches Strassenlicht aus den «post-sakralen» Mosaik-Fenstern. Das Theater Chur (Bild 3+4) ist ein traditionelles Theater mit Bühne, Bühnenportal, Vorbühne und Publikumsraum. NIEMANDLAND hat diesen ganzen Raum bespielt und sich als freies Element über seine vermeintlichen Grenzen hinweggesetzt.